Schlüsselliteratur

Schlüsselliteratur
Schlüssel|literatur,
 
literarische Werke, in denen wirkliche Personen, Zustände und Ereignisse (meist der Gegenwart) unter erdichteten Namen und in unterschiedlich schwer enträtselbarer Verschleierung dargestellt werden. Das Verständnis der Werke setzt beim Rezipienten die Kenntnis des verwendeten »Schlüssels« und der verschlüsselten Verhältnisse voraus. In der Schlüsselliteratur ist die Dechiffrierung und damit die Herstellung des Realitätsbezugs das bewusste Ziel des Autors. Schlüsselliteratur findet sich in allen literarischen Gattungen, doch bildet die Epik (Schlüsselroman) einen Schwerpunkt. - In der deutschen Literatur ist der »Theuerdank« (1517) Kaiser Maximilians I. das erste bedeutende Beispiel. Die Schäferdichtung, v. a. der höfisch-galante Staatsroman des Barock (John Barclay [* 1582, ✝ 1621], H. d'Urfé, I. Sannazaro, Madeleine de Scudéry, La Calprenède, P. von Zesen, Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, D. C. von Lohenstein) erhoben den Schlüsselroman zur modischen Kunstform. Dabei wurde der »Schlüssel« zuweilen als Anhang oder gesondert veröffentlicht. In neuerer Zeit bediente sich die politische oder gesellschaftliche Satire, aber auch die Literatur des Exils und v. a. der »inneren Emigration« der Schlüsselliteratur. Bekannte Beispiele der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts sind u. a. O. J. Bierbaums »Prinz Kuckuck« (3 Bände, 1906-07), K. Manns »Mephisto« (1936), B. Brechts »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« (1941) sowie G. Grass' »Die Plebejer proben den Aufstand« (1966). Heute ist etwa Christa Wolfs in Verbindung mit Sarah Kirschs »Allerlei-Rauh« (1988) zu lesende Erzählung »Sommerstück« (1989) zu nennen.
 
 
G. Schneider: Die S., 3 Bde. (1951-53);
 K. Kanzog: Erzählstrategie (1976);
 W. Amos: The originals. An a-z of fiction's real-life characters (Boston, Mass., 1985).

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Schlụ̈s|sel|li|te|ra|tur, die (Literaturw.): vgl. ↑Schlüsselroman.

Universal-Lexikon. 2012.

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